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Das letzte Urteil des Bundesverfassungsgerichtes: Die Grundsteuererhebung
sei verfassungswidrig - löste in der Immobilienwelt Entgeisterung und
Befürchtungen aus. Aber auch bei vielen "wachen" Mietern, die naturgemäß
auch von dieser Entscheidung betroffen sind, war es für sie noch gleich nachvollziehbar.
Um diese Gerichtsentscheidung näher zu erläutern, befragten wir den
Landespräsident der Eigentümergemeinschaft von Sachsen-Anhalt,
Dr. Holger Neumann.
Was ist eigentlich unter der Grundsteuer zu verstehen?
"Mit ihr besteuert der Staat das Eigentum an Grundstücken. Die Höhe
berechnet sich so: Basis ist der Einheits-Wert des Grundstücks. Es wird mit der
sogenannten Steuermesszahl und dem Hebesatz der Gemeinde multipliziert.
Der bisherige Einheitswert richtete sich nach Nutzung des Grundstücks, der Lage und
der Art der daraufstehenden Gebäude.
Warum erklärte der Gesetzgeber die bisher existierende Grundsteuer
als verfassungswidrig?
"Das Problem liegt bei den bisherigen Grundstücks-Einheitswerten, die die Basis der Berechnung
sind.
Die Finanzbehörden nutzen in den alten Bundesländern noch immer Werte
von 1964. In den neuen Ländern geht man sogar von 1935 aus. Sie wurden
einmal festgelegt und nie aktualisiert. Dabei haben sich die Grundstücks-
werte seither gravierend geändert.
Das bedeutet, in Regionen, in denen die Preise explodiert sind, profitieren
Eigentümer von den alten Werten. Sie zahlen weniger Steuer, als sie bei
realistischen Grundstückswerten müssten (z.B. München und Hamburg).
Wo die Preise nicht so stark gestiegen sind, wären die Steuern im Verhältnis
niedriger (etwa Bremen, Essen und Magdeburg). Wegen der unterschiedlichen
Preisentwicklung bei Immobilien führt die fehlende Aktualisierung
zwangsläufig zunehmend zu Ungleichbehandlungen durch Wertverzerrungen.
(Az. 1BVL.11/14)."
Welche Festlegungen traf in diesem Zusammenhang das
Bundesverfassungsgericht?
"Mit dem Urteil wurde eine 5-jährige Übergangsfrist eingeräumt.
Bis Ende 2019 sollen Gesetzesvorschläge vorliegen. Dann gibt es noch eine
Anpassungsphase bis Ende 2024. Es bleibt also für den Grundstückseigentümer vorerst alles beim Alten. Immerhin ist für die Kommunen die Grund-
steuer eine der wichtigsten Einnahmequellen. Sie bringt ihnen rund 14
Milliarden Euro im Jahr ein. Bei dieser Summe soll es auch nach der
Neuregelung bleiben - so die Aussage des Bundesfinanzministers Olaf Scholz."
Hat es bereits vor dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes politische Diskussionen gegeben?
"Bereits vor etwa 15 Jahren hatte auf dem Zentralverbandstag in Warnemünde
der renommierte Verfassungsrechtler Paul Kirchhoff zur Grundsteuer
gesagt: Die Grundsteuer hat ihre Berechtigung nur noch als Infrastruktur-
Steuer. Als Vermögenssteuer gehört sie abgeschafft. Kommunale Infrastruktur bedeutet aber nicht nur Wege, Straßen und Plätze, sondern auch
Kindertagestätten, Schulen, Parkanlagen, Denkmäler und öffentliche
Einrichtungen. Folgerichtig müsste die Grundsteuer mit hervorragender
kommunaler Infrastruktur, beispielsweise in städtischen Zentren, teurer
sein als in den Randgebieten. Das verteuert aber das Wohnen in der Stadt.
Vom Grundsatz her ist den Kommunen eine angemessene Steuer für
Infrastruktur zuzubilligen. Denn sie wird nicht nur von Eigentümern, sondern
auch von Mietern über die Umlagefähigkeit bei Betriebskosten mitfinanziert."
Worauf möchten Sie unbedingt noch aufmerksam machen?
"Der Staat hat Aufkommensneutralität versprochen. Hoffen wir, dass
die Kommunen sich daran halten. Hier kommt es auf die örtliche Interessenvertretung in der Gemeinde an, dafür zu sorgen, dass die kommunalen
Vertreter nicht der Verlockung des schnellen Geldes erliegen, sondern
tatsächlich die versprochene Aufkommensneutralität umzusetzen."
Ulrich Behrens
